Zwei Wochen im Leben

Mujinga Kambundji: Ferien im Senegal

Es gibt zwei Phasen im Jahr, in denen ich Ferien machen kann. Die erste ist kaum der Rede wert. Nach der Indoor-Saison im Frühling habe ich eine knappe Woche frei, und die geht für Termine drauf, für die sonst keine Zeit ist: Sponsorenauftritte, Fotoshootings, Arztvisiten. Die zweite Pause dauert länger, im Herbst nach der Outdoor-Saison fünf bis sechs Wochen. Soeben ist sie zu Ende gegangen, wie immer viel zu schnell. Es war nicht so, dass sie aus purem Nichtstun bestanden hätte, irgendwas ist immer, mit der Schule, dem Verein, und dann will ich ja all meine Freundinnen und Freunde mal wieder richtig sehen.

Aber vierzehn Tage lang war ich weg, so richtig. Eine Kollegin wollte in Dakar, der Hauptstadt des Senegal, ihre Familie besuchen, zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ein paar anderen Leuten. Und ich, ich ging einfach mit. Wir waren eine Gruppe von sieben Leuten und nahmen es recht gemütlich. Wir badeten und lagen am Strand, spielten Karten und schliefen aus. Wir versuchten uns im Surfen, was mega lustig war, und schlenderten über die Märkte. Und einmal machten wir einen Ausflug zum Lac Rose, einem Salzsee, der aus der Ferne rosarot schimmert. Das Wasser war so warm wie in einer Badewanne, und wegen des hohen Salzgehalts blieb man oben, ohne viel dafür zu tun. Ach ja, einmal haben wir uns Zöpfe in die Haare flechten lassen, einen ganzen Tag lang, das war auch lustig. An den Abenden gingen wir essen oder in den Ausgang. Oder wir blieben auf unseren Zimmern und redeten.

Vor dieser Reise war ich erst zweimal in Afrika gewesen, beide Male für ein Trainingslager. 2013 in Sambia, 2014 in Südafrika. Wenn man mit dem Team unterwegs ist und sich nur zwischen Hotel und Trainingsanlage bewegt, lebt man wie in einem Kokon. Das war diesmal anders. Ich mochte die Kleider der Senegalesinnen und genoss es, dass die Strassen bis tief in die Nacht hinein voller Leute waren. Mir gefiel, wie die Kinder zueinander schauten, wie sich Geschwister gegenseitig an der Hand nahmen und sich nicht mehr losliessen.

Man sieht viel Armut im Senegal, aber man sieht auch viel Glück.

Mein Vater stammt aus dem Kongo. das liegt ziemlich weit südwestlich vom Senegal. Er hat früh seine Eltern verloren und wurde von Familie zu Familie gereicht. Er hat nie viel von damals erzählt, aber aus dem wenigen, das ich weiss, schliesse ich, dass sein Leben nicht immer einfach war. Seit er in der Schweiz ist, sind er und meine Mutter zweimal länger in seiner Heimat gewesen, aber das war noch, bevor sie uns hatten, mich und meine drei Schwestern. Danach fehlte viele Jahre lang das Geld. Und jetzt, da das Geld vielleicht nicht mehr so ein Problem wäre, fehlt immer irgendwie die Zeit.

Ich glaube, dass wir das noch nachholen werden. Während meinen Ferien im Senegal schrieb ich in den familieninternen Whatsapp-Chat: «Aaaaah! Jetzt müssen wir wirklich endlich in den Kongo gehen!» Schon klar: Der Senegal ist nicht Kongo. Trotzdem glaube ich, dass ich dem Kongo nie näher war.

Da fällt mir ein: Ich bin doch nicht nur herumgefläzt. Gegen Ende unseres Aufenthalts, als der Trainingsbeginn zu Hause immer näherrückte, ging ich manchmal am Strand Joggen. Also nicht wirklich Joggen, das mag ich ja überhaupt nicht, ich bin Sprinterin. Aber so Intervallläufe, in and out, eine halbe Minute voll, eine halbe Minute langsam. Ist recht anstrengend, man gerät ziemlich ausser Atem. Aber es hat den Vorteil, dass es nach einer halben Stunde vorüber ist und man doch etwas gemacht hat.

Protokoll: Christof Gertsch